Der Silberkeil

Darauf haben Roadster-Fans lange gewartet: die erste Ausfahrt im neuen kleinen Stern. Jetzt zählt im Mercedes Slk nur eines: fahren, messen und testen. Hier das erste Ergebnis: Silber sieht genial aus

Was haben wir nicht schon geschwärmt? Vom SLK, den Mercedes uns seit Jahren scheibchenweise schmackhaft macht. Ende der Schonzeit. Jetzt steht er da: der SLK 230 Kompressor, ein Silberkeil. Ab sofort zählen nicht glänzende Augen, sondern Zentimeter und Sekunden. Ein Traum im Test.

Der Test beginnt mit der Anprobe. Sitze nach hiiiint..., hoppla: Die Füße baumeln in der Luft. Erstmals reicht Langbeinern auch die vorletzte Raste. Ungewohnt viel Platz für einen Roadster, auch in Schulterhöhe. Dazu Instrumente in diesem typischen Mercedes-Look, als wollten sie sagen: "So solide erlebt uns noch dein Enkel." Hier steht kein Spielzeug für den Spaß zwischen zwei Schauern, sondern der kleinere SL. Ein erwachsenes Auto.
Oder besser: zwei in einem. "Jedes mit zwei Schokoladenseiten", meint Mercedes-Vorstand Jürgen Hubbert. Roadster und Coupé, beide nur 25 Sekunden auseinander. Oder einen Knopfdruck, der elektrisch das feste Dach des SLK aus dem Kofferraum faltet. Übrigens: zuverlässig, auch mit verschränkten Beinen, als ein Rad hoch auf einem Bordstein parkte. So steif waren die Vorserien-Modelle gebaut. Geschlossen rollt der SLK leise wie eine C-Klasse: kein Pfeifen, nur leises Rauschen vom Dachholm hinten links.
Eine zartbittere Schokoladenseite hat Jürgen Hubbert verschwiegen: nur 145 Liter Kofferraum im offenen SLK. Genug für anderthalb Koffer und einen weichen Kleidersack zwischen den Dachhälften. Aber wohin mit dem Einkaufskorb oder der Sprudelkiste, wenn zwei am Samstagmorgen zum Einkaufen fahren? Mancher jetzt noch begeisterte Roadster-Neuling wird lernen, daß diese Sorte Auto Entbehrung verlangt.
Die beim ersten Gasstoß unter freiem Himmel wie weggeblasen ist. Die Frisur genießt noch viel Windschutz, hält bis 100. Mit dem serienmäßigen Windschott, das wie ein Damenstrumpf auf die Überrollbügel gezogen wird, sogar bis 150.
Dann sind die Gedanken längst zu diesem Motor entflogen: Der 2,3-Liter-Kompressor, in der

C-Klasse als zu brav kritisiert, adelt den SLK endgültig zum Sportwagen. Nicht nur wegen seiner Spurtkraft (7,9 Sek. bis Tempo 100) oder seines Bären-Drehmoments, mit dem du von hier bis Rom alles im Dritten fahren kannst - sondern letztlich durch seinen Sound. Wo der SLK 200 noch schüchtern flötet wie ein Chorknabe, kann der Kompressor schon fluchen, knurren und fauchen. So wollen wir es hören.
Und der SLK hat (oh, Wunder) das Schalten gelernt. Noch nicht das Joystock-Gefühl wie in Mazdas MX-5 oder das Klacken eines BMW Z3, aber ein zaghaft schwäbisches Kläckle: So kurz rastete noch kein Schaltknüppel unterm Stern. Es geht also doch. Mercedes, bitte übernehmen Sie - in die C- und E-Klasse (es wurde uns schon versprochen).
Am besten auch das Fahrgefühl in diesem 3,99 m langen Spaßgerät. Der SLK macht an, macht scharf (kennen wir auch nicht von Mercedes) auf die nächste Landstraßenkurve. Wie das? Die Lenkung, die beim ersten Kontakt noch zu soft wirkt, paßt dank kurzer Übersetzung (3,1 Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag) auch für kerniges Anblasen. Dazu kommen die standfesten Bremsen aus der E-Klasse und ein sehr bekanntes Mercedes-Gefühl: Das SLK-Fahrwerk ist nicht einmal durch Lenkfehler zu erschüttern, die so blöd sind wie Wigald Bonings Hosen. Das ist vielleicht nicht mehr Original-Roadster-Feeling, aber zumindest sehr sicher.
So sicher wie der Erfolg des Kompressors. Unerwartet wollen 60 Prozent der vielen Vorbesteller lieber den SLK 230 statt den 200er mit 136 PS. Wer sich jetzt entschließt, muß mindestens ein Jahr warten. Also, und jetzt ist wieder Zeit zum Schwärmen.

Joachim Staat


Wetten, daß die schwarze Kühlermaske gern in Wagenfarbe lackiert wird?


Instrumente in Weiß und Chrom. Das Interieur gibt's auch in Rot, Blau oder Mintgrün: ganz neue Töne

Zwischen die Dachhälften paßt mit viel Gefühl noch ein weicher Kleidersack


Der SLK 230 am Datron-Meßgerät DLS-1. Der Roadster bremst besser als die C-Klasse